Going the Distance: eine kurze Geschichte der «Brevets des Randonneurs Mondiaux»
24 Mai 2022・storyEtwas vom Schönsten, was ein Bike bietet, ist Freiheit. Zu fahren, wohin Du willst. Deine körperlichen und geistigen Grenzen zu erweitern. Die Serie «Going the distance» soll Dir als Leitfaden und als künftige Inspiration dienen. Sie basiert auf unseren eigenen Erfahrungen mit Bikepacking, Randonnéees und Ultradistanzrennen.
Brevets werden in einer sehr entspannten und kollegialen Atmosphäre ausgetragen. Kein Wunder: Es geht bei diesen Fahrten nicht darum, als Erste*r ins Ziel zu kommen, sondern das vorgegebene Zeitlimit nicht zu überschreiten. Dieses Limit lässt sich für die einzelnen Distanzen errechnen, indem eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 Kilometern pro Stunde angenommen wird – inklusive Pausen.
Wirklich neu sind solche Veranstaltungen nicht, auch wenn sie in den vergangenen Jahren einen Hype erleben. Der Audax Club Parisien (ACP) führte 1921 Radtouren mit freiem Tempo über 200, 300, 400, 600, 1000 km ein und übernahm 1931 Paris-Brest-Paris Randonneur (PBP, 1200 km). Die Prüfungen hiessen und heissen Brevets Randonneurs Français. PBP selber gibt es sogar schon seit 1891. Die Fahrt gilt als Mutter aller Langstreckenfahrten. Aus PBP entstand beispielsweise auch die Tour de France.
Gute Vorbereitung muss belegt sein
Seit 1975 ist die Super Randonnée (200, 300, 400, 600 km) für Fahrer*innen obligatorisch, die PBP absolvieren wollen. Der ACP will damit sicherstellen, dass die Teilnehmenden auf diese grosse Prüfung ausreichend vorbereitet sind. Denn dort gilt es, das Zeitlimit von maximal 90 Stunden einzuhalten – eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.
Die Gesellschaften – quasi Landes- oder Regionalverbände –, die Brevets organisieren, müssen die Regeln der Brevets de Randonneurs Mondiaux anwenden und durchsetzen. Mittlerweile gibt es solche Gesellschaften in über 50 Ländern und auf 5 Kontinenten. In der Schweiz organisiert AUDAX SUISSE die Brevets.
Die erste Ausgabe von PBP initiierte 1891 das Petit Journal. Ziel war es, die Zweckmässigkeit des Fahrrads zu demonstrieren. 206 Fahrer – weder Frauen noch Ausländer waren zugelassen – gingen am 6. September an den Start. Der Sieger gewann das Rennen, indem er 71 Stunden und 22 Minuten ohne Schlaf fuhr. 100 Fahrer kamen ins Ziel, einige brauchten länger, weil sie in Gasthäusern übernachteten. Der Plan war, das Rennen einmal pro Jahrzehnt durchzuführen, da die Strecke sehr schwierig war – immerhin fuhren die Teilnehmenden 1200 km auf unasphaltierten Strassen!
Ohne Profis
1901 wurde das Rennen international und in zwei Kategorien eingeteilt – Rennfahrer und Touristen, die Vorfahren der Randonneure. 1911 wurden die Regeln dahingehend geändert, dass die Unterstützung von Fahrern zwischen den Kontrollen verboten wurde. Wie alles im Leben, entwickelte sich auch PBP immer weiter. Zwar gab es 1941 aus nachvollziehbaren Gründen keine Fahrt. Diese Lücke sollte aber mit einer Ausgabe 1948 geschlossen werden. Die PBP von 1948 und 1951 waren die Letzten mit Profis am Start. Deren Zahl nahm ohnehin immer mehr ab. Und für die als reine Profirennen geplanten Ausgaben von 1956 und 1961 fanden sich keine Teilnehmenden.
Dafür fuhren die Randonneure wie gewohnt. Nach einem zwischenzeitlichen Tief bei den Teilnehmendenzahlen wurde PBP Randonneur zu Beginn der 1970er-Jahre immer internationaler. Der heute noch gültige Vier-Jahres-Rhythmus wurde 1971 eingeführt. Seit 1979 müssen die Teilnehmenden im Jahr vor dem Rennen die Super-Randonneur-Serie (200, 300, 400 und 600 km) erfolgreich absolviert haben.
Teilnehmende aus aller Welt
Im Jahr 2003 kamen zum ersten Mal mehr Fahrer*innen von ausserhalb Frankreichs. Auch interessant: Der Anteil Fahrerinnen blieb zwar lange Zeit tief. Einige dieser Teilnehmerinnen waren aber bereits sechs oder sieben Mal dabei. Die zunehmende Beliebtheit der langen Distanz zeigte sich eindrücklich bei der letzten Ausgabe 2019. Zuerst wurde das Feld auf 6300 Personen, später auf 7600 Teilnehmende limitiert. Gestartet sind schliesslich 6673 Fahrer*innen. Diese kamen aus aller Welt und sie alle teil(t)en die Faszination Ultracycling. Wie gross das Feld 2023 sein wird, ist noch unklar. Falls wir Dein Interesse geweckt: Noch ist Zeit für die Qualifikation. Mehr zu den Schweizer Brevets, der Organisation und zu den Resultaten.