Going the distance: Die Ernährung ist (mit)entscheidend

30 September 2022・story
Going the distance: Die Ernährung ist (mit)entscheidend

Etwas vom Schönsten, was ein Bike bietet, ist Freiheit. Zu fahren, wohin Du willst. Deine körperlichen und geistigen Grenzen zu erweitern. Die Serie «Going the distance» soll Dir als Leitfaden und als künftige Inspiration dienen. Sie basiert auf unseren eigenen Erfahrungen mit Bikepacking, Randonnéees und Ultradistanzrennen.


Auf der langen Distanz sind gute Beine durch eine gute Vorbereitung und mentale Fitness von Vorteil. Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die Ernährung vor und während der Fahrt. So wird zum Beispiel das Transcontinental Race auch ironisch als «Essenswettbewerb mit ein wenig Radfahren» beschrieben. Die Leistungsfähigkeit unterwegs hängt zu einem guten Teil von der Ernährung ab oder anders ausgedrückt: von der Energiezufuhr. Und auch hier gilt: Allgemeingültige Aussagen zur Nahrungsaufnahme sind schwierig. Schliesslich musst Du selber herausfinden, wo Deine Prioritäten liegen: schnelle Kalorien? Schmackhaftes Essen? Beides? Dein Geschmack spielt also auch noch eine entscheidende Rolle.

Wichtig ist, dass Du Dich frühzeitig mit der Ernährung auseinandersetzt. Bereits auf längeren Trainingsfahrten kannst Du spüren, wann es Zeit ist, Kalorien nachzuladen und in welcher Form. Du musst im Rennen oder auf einem Brevet unter allen Umständen vermeiden, in einen Hungerast zu fahren. Dieser plötzliche Leistungseinbruch kommt, wenn Dir die Kohlenhydrate fehlen, die Speicher leer sind. Im Training kannst Du den «Mann mit dem Hammer» ‒ wie der Hungerast auch noch genannt wird ‒ auch einmal bewusst provozieren. Dann kennst Du ihn ‒ und willst ihm nie mehr begegnen. Zudem erhältst Du einen groben Hinweis, wann Du auf einer Fahrt spätestens mit der Nahrungsaufnahme beginnen solltest. Dazu später mehr.

Carboloading

Irgendwann rückt der Renntag, die Rennwoche(n) oder das Brevet näher. Allerspätestens am Abend vor der Veranstaltung ist Carboloading angesagt. Noch besser beginnst Du zwei bis vier Tage vorher. Es gilt, mit möglichst grossen Mengen Kohlenhydraten die Glykogenspeicher zu füllen. Aus ihnen werden die Muskeln unterwegs die benötigte Energie beziehen. Einige Veranstalter*innen organisieren deshalb vor dem Event auch sogenannte Pastapartys. Dass Du die Glykogenspeicher entleeren musst, um sie anschliessend maximal füllen zu können, gehört der Vergangenheit an. Es reicht, wenn Du das Training runterfährst und Dich gleichzeitig sehr kohlenhydratreich ernährst. 

Du solltest in dieser Phase zehn bis zwölf Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpermasse und Tag zu Dir nehmen. Das ist mit drei Hauptmahlzeiten kaum möglich. Iss auch Zwischenmahlzeiten und nimm zusätzlich Kohlenhydrate über Getränke auf. Versuche gleichzeitig fett-, protein- und ballaststoffarm zu essen. Sonst wird die Menge an Essen schlicht zu gross. Folgende Lebensmittel entsprechen diesen Anforderungen: Weissbrot, weisser Reis, Pasta, Kartoffeln, Limonaden, Fruchtsäfte, Konfitüre, Honig, Fruchtgummis und so weiter. 

Dilemma

Butter, Käse, Fett, Fleisch, Eier und Fisch zum Beispiel solltest Du Dir nur in kleinen Mengen gönnen. Und dann musst Du auch noch darauf achten, dass Du diese Lebensmittel gut verträgst. Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Früchte und Gemüse können zu einer Magenverstimmung führen. Vor einer langen Fahrt kann sie das Aus noch vor dem Start bedeuten.

Maximal aufgefüllt, kann es losgehen. Du musst Dir aber bewusst sein, dass Du Deinen Körper in ein Dilemma bringst: Sehr lange und sehr intensive Belastungen schliessen sich gegenseitig aus. Ausserdem kannst Du während der Belastung Kohlenhydrate nur begrenzt verarbeiten. Sportriegel, -gels und -getränke sind so zusammengesetzt, dass Dein Magen sie einfacher aufnehmen kann.

Essintervalle

Falls Du nur einen halben Tag unterwegs bist, zum Beispiel für 200 Kilometer, reichen Dir möglicherweise Riegel, Gels und Sportgetränke. Nimm aber nur solche mit, die Du bereits getestet hast und die Dein Magen verträgt. Je nach Körpergewicht solltest Du pro Stunde auf dem Bike 60 bis 120 Gramm Kohlenhydrate zu Dir nehmen. Wenn Du die Bedürfnisse Deines Körpers gut kennst, kannst Du individuelle Intervalle für die Energiezufuhr definieren. Falls nicht, solltest Du erst recht regelmässig essen und trinken. Das kann von der Zeit oder der Distanz abhängig sein: Zum Beispiel isst Du jede Stunde oder jeweils nach 30 Kilometern. Wobei Du auch das Streckenprofil berücksichtigen solltest: 30 Kilometer oder eine Stunde in der Ebene in gemütlichem Tempo verlangen weniger Energie als eine Bergfahrt über 30 Kilometer.

Wenn Du länger fährst, werden auch die leckersten Riegel irgendwann nicht mehr schmecken. Die Erfahrung zeigt, dass die Nahrung mit der Distanz vielfältiger wird. Aber Du kannst soviel Lebensmittel gar nicht transportieren, wie Du etwa für das Transcontinental Race oder Paris-Brest-Paris benötigst. Wenn Du unseren Rat befolgt hast, hast Du Dir einen Plan zurechtgelegt für die Fahrt. In diesen Plan gehört auch, wo Du neue Nahrung erhalten kannst. Das ist besonders wichtig, wenn Du in die Nacht fährst und ausser Tankstellen spätabends nichts geöffnet ist oder wenn Du in entlegenen Gebieten unterwegs bist. Du musst Dich rechtzeitig versorgen, um bis zur nächsten Gelegenheit durchzustehen. Gut fährst Du dabei mit Lebensmitteln, die Du bereits fürs Carboloading genutzt hast.

Auffüllen

Aber woher bekommst Du dieses Essen? In Restaurants musst Du meist ein wenig länger warten, bis Du bestellen kannst und serviert wird. Das kann Dir die Möglichkeit bieten, Dich zu erholen. In einem Rennen hast Du aber wahrscheinlich nicht die nötige Geduld. Imbiss- und Dönerläden sind zwar eine Variante, das Essen ist aber vornehmlich fettreich und deshalb eher zu empfehlen, bevor Du eine längere Pause einlegst. Ausserdem ist die Hygiene manchmal nicht über jeden Zweifel erhaben. Dieses Problem hast Du bei Fastfoodketten kaum. Das Essen ist rasch bestellt und bereit. Ausserdem kannst Du einen Burger auch auf dem Bike essen.

Am beliebtesten unter Langstreckenfahrer*innen aber sind Bäckereien, kleinere bis mittlere Supermärkte und Tankstellenshops. Dort gibt es Sandwiches und Süssgetränke, Pain au Chocolat und Croissants, Linzertörtli, Biberli und vieles mehr. Wahrscheinlich alles, worauf Du in dem Moment gerade Lust hast. Kleinere Supermärkte drängen sich auf, weil Du Dir rasch einen Überblick über das Angebot verschaffen kannst und keine Zeit verlierst. Auch lassen sich meist die Bidons auffüllen. Aber Achtung: Reines Wasser hilft Dir nicht so sehr. Wichtig ist, dass Du auch den Salzverlust ausgleichst. Das kannst Du mittels löslicher Tabletten, Pulver oder ganz einfach, indem Du eine Messerspitze Salz zum Wasser mischst.

Erfahrungen

Grundsätzlich gilt auch im Bereich der Ernährung auf der Ultradistanz: Du musst Deine eigenen Erfahrungen sammeln und spüren, was Dir gerade wichtig ist und guttut. Manchmal widerspricht sich das. Dann solltest Du auf den Genuss verzichten und vernünftig sein. Dafür wirst Du im Ziel belohnt: Dort darfst Du wieder alles essen, was Dein Magen begehrt.

 
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