Going the Distance: «Ich setze mir grobe Tagesziele» (III)

26 November 2024・story
Going the Distance: «Ich setze mir grobe Tagesziele» (III)

Etwas vom Schönsten, was ein Bike bietet, ist Freiheit. Zu fahren, wohin Du willst. Deine körperlichen und geistigen Grenzen zu erweitern. Die Serie «Going the distance» soll Dir als Leitfaden und als künftige Inspiration dienen. Sie basiert auf unseren eigenen Erfahrungen mit Bikepacking, Randonnéees und Ultradistanzrennen.


SUCH, die Swiss Ultracycling Challenge, hat sich im Schweizer Ultracycling-Kalender etabliert. Unsere Guides Jeremy und Francesco haben auch 2024 wieder teilgenommen. Wir haben uns mit ihnen über SUCH und die Faszination Ultracycling unterhalten. Im ersten Teil drehte sich das Gespräch darum, wie sie zum Ultracycling gestossen sind und was Ihnen an SUCH besonders gefällt. Im zweiten Teil sprachen sie über ihre Erlebnisse an der diesjährigen SUCH.

O&G: Es fiel das Stichwort «mentale Vorbereitung». Wie bereitet mensch sich auf solche Events mental vor?

Jeremy: Gute Frage! Im Winter zu fahren, ist gut. Auch trotz schlechtem Wetter hinauszugehen und zu fahren. FIRESTARTERs sind auch gut. (lacht)

O&G: Also einfach dranbleiben?

Beide: Ja!

Jeremy: Nicht nur bei schönem Wetter zu fahren, sondern auch bei Regen zu starten und zu schauen, wie weit man bei schlechtem Wetter kommt.

Francesco: Mich haben alle Events, an denen ich in diesem Jahr teilgenommen habe, mental für diese SUCH-Ausgabe vorbereitet. Es hat an jeder Veranstaltung mindestens geregnet. Angefangen bei einem kleinen Volkstriathlon im April, mit einem leichten Schneesturm, bis zum SWISSMAN – einem Langdistanz-Triathlon – als es mich auf dem Bike schier rückwärts den Grimsel wieder hoch geblasen hat. Deshalb hat mich die schlechte Wetterprognose für die diesjährige SUCH auch nicht so beeindruckt. Ziel war, möglichst schneefrei zu bleiben und so viel Regen wie möglich zu vermeiden. Aber wenn es irgendwann keinen Spass mehr macht, würde für mich auch Abbrechen in Ordnung sein.

Jeremy: Es hat nicht immer geregnet. Am Bodensee und Richtung Zürich kam auch mal die Sonne raus. Aber es hat jede Nacht geregnet. Und im Jura war es zudem mit fünf Grad noch sehr kalt. Ein grosser Unterschied zum vergangenen Jahr mit 30 Grad.

Francesco: Mental hilft es auch, dass Du durch die vielen Checkpoints eine Art Gamification der Route hast.

Jeder Checkpoint, den Du abhaken kannst, treibt Dich voran.

Ein Beispiel: Am zweiten Tag mussten wir auf den Seelisberg, quasi eine Sackgasse. Hoch habe ich einen anderen, sehr starken Teilnehmer gekreuzt. Das hat mir mental geholfen, weil es mir gezeigt hat, dass ich gut unterwegs war.

O&G: Hilft es, die Distanz für sich in kürzere Etappen zu unterteilen?

Jeremy: Ich setze mir grobe Tagesziele. Am ersten Tag wollte ich die Alpenpässe hinter mich bringen und am Rhein oder sogar Richtung St. Gallen schlafen. Am zweiten Tag stand Basel auf dem Plan. Das habe ich aber nicht geschafft. Ich buchte ein Hotel in Aarau, was aber ein bisschen zu ambitioniert war. Ich musste bis weit in die Nacht fahren. Tagespläne und kleine Ziele helfen. Da in diesem Jahr so viele Checkpoints zu absolvieren waren, ergaben sich auch gleich die Zwischenziele.

Francesco: Ich habe mich weniger auf Tagesziele eingestellt, weil ich es schwierig finde, abzuschätzen, wie weit ich an einem Tag komme. Mir geben die Regionen, die ich kenne, mentale Unterstützung. In der Ostschweiz bin ich aufgewachsen und in der Region Basel/Jura zu Hause. Diese Orte zu erreichen, hilft mir. 

O&G: Jetzt haben wir viel über das Mentale gesprochen. Aber die körperliche Fitness ist natürlich mindestens ebenso wichtig. Wie bereitet Ihr Euch in diesem Bereich vor?

Jeremy: Viel fahren! (beide lachen) Aber in diesem Jahr habe ich am wenigsten lange Strecken bewältigt. Früher habe ich mehr lange Strecken im Vorfeld gefahren. Es ist für mich mittlerweile weniger eine Frage der körperlichen Fitness, als des Equipments. Wenn alles gut funktioniert, brauche ich weniger Pausen. Aber es ist sicher sinnvoll, in der Vorbereitung ein paar lange Strecken zu fahren. So bis 400 oder 600 Kilometer idealerweise. Die Grundfitness muss unbedingt vorhanden sein.

Francesco: Mir hilft meine Erfahrung. Ich weiss, was und wie viel ich essen muss und welches Equipment für mich funktioniert. Da will und muss ich nicht mehr experimentieren. Und trotzdem muss man fitnessmässig am Ball bleiben. Ich bin in diesem Jahr nicht viele längere Strecken gefahren, habe mich mehr auf den SWISSMAN vorbereitet und bin vor allem viel geschwommen und rannte Trails. Deshalb hat mein Training schon im Winter auf der Rolle begonnen. Das gab eine gute Grundfitness, die ich ab Juni nach draussen umsetzen konnte.

Jeremy: Dieses Jahr waren viele Teilnehmende am Start, die erst im vergangenen Jahr oder sogar erst diese Saison ins Ultracycling eingestiegen sind. Davon haben aber auch viele aufgegeben. Sie hatten wahrscheinlich eine zu optimistische Vorstellung, weil 2023 das Wetter so gut war.

Mehr Erfahrung bedeutet auch, zu wissen, was funktioniert und was nicht.

Und wenn die Füsse nach zwei Tagen schmerzen, weiss ich, was ich tun muss. Anfängerinnen und Anfänger kennen die Schmerzen nach vielen Stunden im Sattel noch nicht und wissen häufig auch nicht, wie sie damit umgehen müssen. Oder ihre Aerobars sind nicht perfekt für sie eingestellt. Das führt am Schluss dazu, dass sie leider abbrechen müssen.

O&G: Also, Erfahrung ist wichtig.

Jeremy: Sehr wichtig!

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