Going the Distance: «Mein Ziel ist es, mich jeweils zu verbessern» (II)

15 November 2024・story
Going the Distance: «Mein Ziel ist es, mich jeweils zu verbessern»  (II)

Etwas vom Schönsten, was ein Bike bietet, ist Freiheit. Zu fahren, wohin Du willst. Deine körperlichen und geistigen Grenzen zu erweitern. Die Serie «Going the distance» soll Dir als Leitfaden und als künftige Inspiration dienen. Sie basiert auf unseren eigenen Erfahrungen mit Bikepacking, Randonnéees und Ultradistanzrennen.


SUCH, die Swiss Ultracycling Challenge, hat sich im Schweizer Ultracycling-Kalender etabliert. Unsere Guides Jeremy und Francesco haben auch 2024 wieder teilgenommen. Wir haben uns mit ihnen über SUCH und die Faszination Ultracycling unterhalten. Im ersten Teil drehte sich das Gespräch darum, wie sie zum Ultracycling gestossen sind und was Ihnen an SUCH besonders gefällt. Francesco ist ein Teil seiner SUCH-Route gewandert.

O&G: Beim Ultracycling sitzen die Teilnehmenden also nicht permanent im Sattel, sondern es geht auch darum, sich auf andere Situationen einzulassen.

Francesco: Absolut. Wir sind ja viele Stunden auf dem Bike. Wenn ich zwischendurch zu Fuss unterwegs bin, ist das eine perfekte Abwechslung für den Körper. Ich kann durchatmen, essen, trinken und die Umgebung beobachten, zum Beispiel Murmeltiere. Oder die anderen Fahrerinnen und Fahrer …

O&G: Dann beobachtet Ihr Euch auch gegenseitig während des Rennens?

Jeremy: Ja, oder wir diskutieren vor dem Start die geplanten Routen. Sehen uns die Ausrüstung an und staunen über Hike-a-Biker mit normalen Rennradschuhen. (lacht)

Francesco: Ja, entweder wenn wir Sichtkontakt haben oder auf der Trackingkarte. Auf der Trackingkarte kann ich vieles Ablesen. Wer ist in meiner Nähe, wie lange ist die Person schon ohne Schlafpause unterwegs oder auch auf welcher Route gefahren wurde. Ich schaue meist nicht früh im Renngeschehen auf die Trackingkarte, wegen der vielen Informationen kann man dabei auch Zeit verlieren. 

Jeremy: Ich auch nicht. Ich finde es aber noch wichtig wegen der Checkpoints. Einfach um sicherzugehen, dass ich am Checkpoint registriert wurde. Oder auch um den Namen herauszufinden von Personen, die ich immer wieder gesehen habe.

O&G: SUCH ist ja ein Rennen. Seid Ihr es auch als Rennen gefahren oder ging es Euch mehr darum durchzukommen?

Francesco: Ich bin es nicht als Rennen angegangen. Für mich war der Funfaktor wichtiger.

O&G: Trotzdem warst Du relativ weit vorne und wurdest am Schluss 8.

Francesco: Ja, was mir Spass macht, ist ja auch das ständige Vorwärtskommen und dabei möglichst wenig zu stoppen. Auftauchende Probleme lösen. Ich entscheide schon bei der Planung, ob ich im Sightseeing- oder Rennmodus unterwegs bin, etwa wenn ich eine ambitionierte Route gestalte. Ich war an dieser verregneten und eher kalten Ausgabe so weit vorne, weil ich Lösungen gefunden habe, mit der Nässe und Kälte umzugehen, um schliesslich weiterfahren zu können.

Das ist sowieso eine meiner Erkenntnisse aus dem Ultracycling: Alle haben irgendwann Tiefs und Probleme.

Diese zu lösen und aus den Tiefs herauszukommen und vorwärts zu machen, ist entscheidend. 

O&G: Wie ist das bei Dir, Jeremy, ist SUCH ein Rennen für Dich?

Jeremy: Es gibt beide Seiten. Es ist kein AUDAX, an dem Du die Strecke «nur» innerhalb eines bestimmten Zeitlimits bewältigen musst. Ich setze mir eigene Ziele. 2023 war mein bestes Jahr. Das Wetter war super und ich konnte durchfahren. Nachts brauchte ich wenig Schlaf und das Tempo war gut. Ich wurde 19. Für mich war das ein Erfolg, ich war in der vorderen Hälfte des Feldes platziert. Ganz vorne werde ich nie landen, denn diese Fahrerinnen und Fahrer schlafen nicht und machen auch keine Pausen. Das ist nicht mein Style. Mein Ziel ist es, mich jeweils zu verbessern und mich besser zu klassieren als im Vorjahr. Dieses Jahr wollte ich besser als 19. werden. Aber ein Fehler in der Hotelplanung machte mir einen Strich durch die Rechnung.

O&G: Was ist passiert?

Jeremy: Ich musste ausserplanmässig zum Checkpoint im Kanton Solothurn fahren. Das waren hin und zurück 70 zusätzliche Kilometer. Ab da musste ich meine Einstellung ändern. SUCH zu beenden, wurde zum Ziel. Das hat mir geholfen, den Rest entspannt anzugehen. Aber es bleibt dabei: Schneller als im Vorjahr und so schnell wie möglich zu sein, ist jeweils das Ziel.

O&G: Es gibt ja auch noch die äusseren Faktoren. Das Wetter in diesem Jahr war sehr schlecht, mit Regen und Kälte. Das hat einen grossen Einfluss auf die Leistung. Wie geht Ihr mit Faktoren um, die Ihr nicht beeinflussen könnt?

Jeremy: Die ersten beiden Male hat es auch ziemlich geregnet. Ich war damals weniger vorbereitet, sowohl mental als auch vom Equipment her. Dadurch habe ich gelernt, dass ich beides auf einem guten Level haben muss. Denn falls es mal einen ganzen Tag regnet, muss ich fahren können und kann nicht einfach Pause machen und warten, bis der Regen vorbei ist. Dieses Jahr war ich besser vorbereitet. Es war zwar trotzdem hart, aber ich habe mich dazu gezwungen weiterzufahren, auch wenn es schwierig war.

Schwierig war es auch, bei Nässe und Kälte draussen zu schlafen.

Ich schlief unter einer Brücke, in einer Waldhütte und in einem Hotel, bin aber lieber draussen. 

Francesco: Respekt! Bei diesen Bedingungen draussen zu schlafen, ist hart. Ich schlafe bei einem Event wie SUCH zwar auch lieber draussen. Das ist effizienter, ich liege auch nicht so lange. Aber dieses Jahr war schon sehr nass: Als ich auf dem Damm im St. Galler Rheintal unterwegs war, kamen Regen und Wind von allen Seiten. Alle Elemente waren gegen mich. Es gab auch keine Möglichkeit, eine Pause einzulegen. Ich kannte aber meine Route und wusste, was noch kommt. Ziel war es, spontan ein Hotel zu finden. Also bin ich weitergefahren und kam schliesslich nach St. Margarethen. Für mich war klar, dass ich hier eine Unterkunft finden muss, um zu schlafen und so wieder Energie für den weiteren Verlauf zu tanken.

Fortsetzung folgt.

Bilder: such.bike, Tobias Schuerer

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